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30.8.2023

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Von Isi Rogat

Deine Kolumne? 3+

Lasst mich euch auf ein kurzes Gedankenexperiment mitnehmen…

Die Afterparty eines großen Werbe-Awards.
Du stehst an einem Stehtisch mit Freundinnen.
Gerade beißt du auf das dritte Kartoffel-Krossi mit Ketchup.
Es gibt vegane Tempee-Bites statt Steak.
Der Abend ist gut, der DJ ok.

Dann wird dir ein Agenturchef vorgestellt.

Seine erste Feststellung, nachdem er eure Namen tatsächlich mit euren Positionen verknüpfen konnte: „Schaut mal, ich weiß bestimmt schon mehr über euch als alle anderen hier im Raum.“

Konfrontiert mit dieser unerwarteten (und erwähnenswerterweise trotz Inflation völlig kostenlosen) professionellen Relevanzeinstufung deiner Person schaust du von deinem Teller auf. Nachdem sich deine Freundinnen der Situation bereits elegant entziehen konnten (sie waren nicht wie du durch einen weißen Lackstehtisch blockiert gewesen, unfairer Vorteil) dreht er sich nun zu dir:

"Achso und deine Kolumne? 3+"

Du - noch kauend, überrascht von dem verfrühten und unerwarteten Feedbackgespräch, verschluckst dich nun ein wenig. Deine Gedanken beginnen zu rasen.

Hatte man vergessen, dir deinen neuen Vorgesetzten vorzustellen?
Hatte dir die Zeitschrift, für die du seit einem Jahr deine Kolumne schreibst, all diese Zeit den Lektor verschwiegen?
Hatten sie doch alle recht mit dem Gedächtnis eines Goldfisches, sodass du dich noch nicht einmal daran erinnerest, diesen bis dato fremden Mann nach einem Spontanreview deiner journalistischen Fähigkeiten gefragt zu haben?

Kurzfristig würden sich diese Fragen leider nicht klären lassen.

Eine tiefergehende Diskussion über das deutsche Notensystem würdet ihr ebenfalls nicht führen. Genauso wenig wie darüber, wann genau zwischen dem Auffüllen frittierter Köstlichkeiten und den Diskussionen über die Songauswahl der Tanzfläche du die offene Einladung ausgesprochen hattest, über die Optimierungspotenziale deiner Kolumne zu sprechen.

Es sollte wohl für immer ein Mysterium bleiben.

Wohlbehütet, neben dem Märchen über die Art Direktorin, deren Augen ohne ihr Wissen auf einem Afterwork nach Karrieretipps eines angetrunkenen CEOs gefragt hatten.
Und der Legende der Kollegin, die selbst gar nicht wusste, dass es sie bei einem Team-Dinner nicht nach Essen, sondern nach Tipps zum weiblichen Kommunikationsstil verzehrt hatte.
(Alles natürlich rein fiktive Fabeln.)

So, zurück in die Realität. 
Eine Realität, in der du dich fragst: Was lernen wir nun daraus?
Was lerne ICH daraus, dass jede meiner Freundinnen in dieser Branche mindestens 3 Geschichten über Karrierefeedback irgendwelcher entfernten Higher-Ups erzählen kann – aber keine darüber, danach gefragt zu haben?
Ich habe mal tiefer reingeschaut und ähnlich wie bei den Büchern von Grimm, Andersen oder Bechstein gemerkt, dass diese Fabeln einer gewissen Dramaturgie folgen.
Einem Muster, you might say.
Und glaubt mir – es ist keine Heldenreise.

Viel mehr lässt sich eine spannende Konsistenz im Setting dieser mystischen Geschichten erkennen:

Afterparties.
Afterworks.
Company Dinners.

Nie komplett privat – denn befreundet ist man mit diesen Personen nicht.
Nie komplett beruflich – denn arbeiten tut man mit ihnen auch nicht.
Nie zu ausfallend – als dass man es als direkte Beleidigung deuten könnte.
Nie zu konstruktiv – als dass man es als tatsächliche Hilfe sehen könnte.

Meist ein bisschen zu angetrunken.
Meist ein bisschen zu paternal belehrend.
Meist ja-nur-das-Beste-wollend.

So eindeutig psychologisch durchschaubar, dass es die Dialoge in keinen Grimm Roman geschafft hätten. Und mit Gesprächsanteilen so einseitig, dass jede:r Sprachwissenschaftler:in sie wohl gar nicht erst Dialoge nennen würde.

Nachdem ich also zwischenzeitlich in solch tiefe Sphären deutscher Literaturgeschichte vorgedrungen war, die sonst nur Gender-Gegner:innen erreichen, wenn sie von der „Verhunzung deutscher Sprachkultur“ sprechen, eröffnete sich mir die Frage: Was tun?
Was tun gegen diese ungünstigen Missverständnisse, in denen wir unfreiwillig scheinbar so sehr nach Feedback lechzen, dass unser Gegenüber schier nicht anders kann, als es uns zu geben?
Was tun mit jenen Märchen & Legenden, in welchen sich im Nachhinein nie klären ließe, wann genau nach Tipps gefragt wurde?

Als erste Antwort habe ich da etwas Kleines vorbereitet.
Zum Lesen, zum Testen, zum Weiterleiten.
Für alle, deren Love Language ungefragte Ratschläge sind.
Und alle, die solche Leute kennen.

Nein, hier geht es nicht um Führungskräfte, die ihrem Team fachliches Feedback geben (Please keep doing that).
Nein, hier geht es auch nicht um freundschaftliche Interventionen, in denen man sich auch ungefragt die Augen öffnet (Please keep doing that).
Hier geht es um jene Abende, an denen aus Rotwein Ratschläge und aus Tequila Tipps werden.
Und das mit Menschen, mit denen man noch nicht mal ein Bier trinken würde.

In diesem Sinne - viel Spaß beim ultimativen Quiz zu ungefragtem Feedback
Zum Machen oder Versenden.
Oder wie BRAVO sagen würde:
WeLcHEr FeEdbACkTyP biSt du?

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